Ultimativer Küchentipp: Umami, und wie du es verwendest
Umami und Kokumi
Wie beschreibt man etwas, das jeder kennt? Oder noch breiter gefragt … wie beschreibt man Geschmack?
Immer wieder hört man die Erklärung, Umami stehe für Wohlgeschmack. Aber wenn Umami der fünfte Geschmack ist, neben süß, sauer, salzig und bitter, wie kann dann einer von fünf Geschmäckern alleine für Wohlgeschmack verantwortlich sein? Würde das nicht die Restlichen gewissermaßen obsolet machen? Etwas kann zu salzig, zu sauer und definitiv zu bitter sein, aber kann etwas zu wohlschmeckend sein? Und woher kommt dieser Impuls, Umami beschreiben zu wollen? Wie erklärt man dann den Geschmack “süß”?
Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, beschreiben zu wollen, wie Umami schmeckt, denn im Grunde wissen wir es alle schon, und während bei den anderen Geschmäckern der im Namen enthaltene Geschmack im Vordergrund steht, ist es bei Umami viel mehr das, was es in uns auslöst.
Die Industrie nennt es “craveability”, also “Heißhunger” und die Industrie ist es, die dieses Thema so in Verruf gebracht hat, den die wichtigste und mächtigste Zutat für Umami ist Glutamat. Aus dieser harmlosen und lebensnotwendigen Aminosäure wurde schnell der neue Ernährungsfeind der westlichen Welt gemacht. Heute zieren Aufschriften wie “ohne Glutamat” und “ohne Geschmacksverstärker” viele Verpackungen und versuchen damit vermeintlich gesundheitsbewusste Käufer von der Qualität des Produktes zu überzeugen.
In Wahrheit hat die Verwendung von Glutamat rein gar nichts mit gesunder oder ungesunder Ernährung zu tun. Im Gegenteil – das natürlich in Lebensmitteln enthaltene Glutamat ist ein gesunder Anzeiger für das Gehirn, dass es sich dabei um proteinreiche Nahrung handelt. Das menschliche Gehirn liebt Proteine und liefert damit auch die Basis dafür, dass wir so extrem auf Glutamat reagieren. Menschliche Muttermilch enthält von allen Säugetiermilchsorten die höchsten Mengen von frei verfügbarem Glutamat, von klein an konditioniert uns also unser Gehirn darauf, Nahrung zu präferieren, die viel Eiweiße enthält. Ein Glück, dass die Glutaminsäure als eine von 20 verschiedenen Aminosäuren überdurschnittlich oft in der Natur vertreten ist.
Jeder unser Geschmackssinne erfüllt einen bestimmten Zweck in der Ernährung. Während uns “Bitter” vor möglichen Giften warnt und “Süß” ein verlässlicher Anzeiger für lebenswichtige, schnell verfügbare Kohlenhydrate ist, ist “umami” nun also der Teil, der uns dafür belohnt, eiweißreiche Nahrung zu konsumieren. Wann immer der Mensch mit diesen natürlichen Mechanismen im Gehirn herumspielt, so wie wir es mit Süßstoffen tun, gerät unser Körper ins Ungleichgewicht. Denn unser Gehirn lässt sich “leider” nicht so leicht austricksen oder vielmehr traurigerweise doch, aber dann zu unserem eigenen Nachteil.
Jeder kennt das gute alte Phänomen der Chipstüte, bei der man einfach nicht aufhören kann zu futtern, und kein Wunder das Glutamat gaukelt unserem Körper vor, dort etwas ganz besonders Nahrhaftes zu konsumieren. Tatsächlich sind aber nur sehr wenige der vom Gehirn vermuteten Eiweiße enthalten und während der Anreiz, weiter zu essen, nicht abreißt, gibt es keinen ernährungsphysiologischen Anreiz, aufzuhören. Erst wenn der Magen das Signal der Fülle sendet, hören wir auf zu essen, vielleicht übersatt, aber sicherlich nicht befriedigt. Die versprochenen Proteine hat unser Gehirn ja gar nicht geliefert bekommen.
Das bringt uns zum eigentlich Problem des Glutamat: zum “Umami” gehört auch “Kokumi”.
Dieser erst 1989 entdeckte Bestandteil von Umami hat eine wichtige Funktion zur Regulierung von Umami. Er steigert zwar unser positives Empfinden der Nahrung noch weiter, vermittelt dabei aber auch zusätzlich das Gefühl von Reichhaltigkeit des Essens.
Studien mit fett reduzierter Erdnussbutter mit dem Zusatz von “γ-Glu-Val-Gly” der bisher potentesten Kokumi Verbindung zeigen, das es deutlich das Gefühl von Cremigkeit und Fettgehalt steigern kann.
Genau wie bei Umami sind es auch hier Aminosäure Verbindungen, die diesen Effekt auslösen, auch hier belohnt unser Gehirn die Aufnahmen von Eiweiß mit dem was wir als Wohlgeschmack empfinden und das, obwohl die Verbindungen meist selbst geschmacklos sind und erst im Zusammenspiel eine Synergie bilden.
Man kann also die vorher gestellte Fragen ob etwas “zu Umami”sein kann damit beantworten, dass Umami anders als die anderen Geschmäcker keine direkten Reaktionen auslöst. Und auch nicht auslösen muss, wie es bei der aufnahmen von zu hohen Mengen Salz wäre. Den das wäre extrem schädlich für den Organismus. In einer natürlichen Ernährung wäre das Resultat von “zu Umami” Schlichtweg das Gefühl satt und befriedigt zu sein. Eiweißverbindungen, die den Kokumi Effekt auslösen, sind in nahezu jedem natürlichen Lebensmittel enthalten. Es gibt nun mal mehr Aminosäuren als nur das von der Industrie genutzte Glutamat, der Versuch, ein glaubhaftes rundes Geschmackserlebnis zu erschaffen durch die Zugabe eines Zusatzstoffes wirkt schon fast kindlich naiv.
Wir alle kennen doch dieses unbestimmte Gefühl, das etwas irgendwie künstlich schmeckt und das Großmutters Bratensoße irgendwie ehrlich, handfest schmeckt. Doch das ist nicht nur ein esoterisches Gefühl weil wir unsere Omi so lieb. Man kann es messen, den in dem auf natürlichem Wege entstanden Gericht werden wir eine bunt gemischte Aufteilung verschiedenster Aminosäuren und deren Verbindungen feststellen. Jede von ihnen durch ganz natürliche kleine Chemielabore von Mutter Natur produziert. Natürlich haben wir unsere Oma auch besonders lieb und deswegen wird es umso besser schmecken, doch das ist ganz anderes Kapitel.
Umami Synergie
Wenn wir uns darüber bewusst werden, das bestimmte Eiweißverbindungen Umami auslösen, so können wir uns dieses Wissen zunutze machen. Und das beste dabei, wir brauchen keine chemische Zusätze, schließlich hat die Natur für alles gesorgt. Machen Sie sich also einfach beim Kochen ein paar Gedanken darüber, mit welchen Zutaten Sie etwas mehr Umami in ihr Gericht zaubern könnten. Sie würden ja schließlich ihren liebsten auch nichts servieren, ohne vorher das ganze mit Salz abgeschmeckt zu haben, oder?
Um ihnen nun also die wichtigsten Werkzeuge zum Thema Umami in die Hand zu geben, müssen wir noch einen weiteren wichtigen Effekt besprechen: die Umami Synergie.
Klingt fantastisch, oder? Ich versuche mich kurz zu halten und direkt zum Punkt zu kommen: Der Umami Effekt von Glutamat kann durch das Zusammenspiel anderer Eiweiß Verbindungen um ein vielfaches gesteigert werden. Die zwei stärksten Gefährten des Glutamats sind IMP (Inosinmonophosphat) und GMP (Guanosinmonosphat) auch hierbei handelt es sich wieder um ganz natürlich vorkommende Verbindungen. So findet man zum Beispiel hohe Mengen GMP in viele Pilzen und IMP in Fleisch oder Fisch.
Denken wir nun an die japanische Grundbrühe “Dashi” lässt sich sehr gut dessen Beliebtheit erklären. Dashi besteht vor allem aus Kombu alge, die sehr reich an Glutamat ist, und Katsuoboshi, einem getrockneten Fisch, der sehr viel IMP enthält. Und obwohl der Dashi selbst wenig Eigengeschmack mit sich bringt so hat er durch Glutamat und IMP, die fast magische Kraft, alles, was damit zubereitet wird, in Wohlgeschmack zu verwandeln.
Benutzen sie für jedes Gericht etwas das Glutamat enthält wie zum Beispiel Kombu Alge, und wenn sie noch eine Hand frei haben, werfen sie noch eine Zutat mit IMP oder GMP in den Topf. Und wenn ich sage “jedes Gericht” dann meine ich das auch, ich verwende selbst für Königsberger Klopse etwas Kombu Alge in der Brühe.
Wenn sie daran interessiert sein sollte gibt es auf der Website der Umami Information Centers sehr ausführliche Listen mit Lebensmitteln und dem darin enthaltenden Glutamat, IMP oder GMP (https://www.umamiinfo.com/richfood/). Einige der Zutaten werden bei ihnen wahrscheinlich schon häufig in Gebrauch sein, wie zum Beispiel Tomaten und Parmesan, ein paar andere sollten spätestens im Verlauf der nächsten Seiten ein Platz in ihrem Schrank und Herzen gewinnen.